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A review by pascalthehoff
Dunkelblum by Eva Menasse
challenging
dark
mysterious
slow-paced
- Plot- or character-driven? Plot
- Strong character development? No
- Loveable characters? It's complicated
- Diverse cast of characters? No
- Flaws of characters a main focus? Yes
5.0
Ein Familien und Generationen umspannendes Epos, im intim gedrängten Rahmen einer österreichischen Kleinstadt. Denn jeder Ort hat seine eigene bewegte Geschichte – besonders in Regionen des ehemaligen NS-Staats.
Persönlich und detailliert zeigt Dunkelblum die abstruse Solidarität der Schuldigen, mit der jede Familie auf ihre Weise die Nazi-Verbrechen verdrängt; und was passiert, wenn Jahrzehnte später alles auf einmal aufkocht.
Als äußerst menschlicher Roman tappt Dunkelblum dabei nicht in die Falle, die Verbrechen einfach zu schildern, sie zu verurteilen und einen Haken dranzumachen. Das wäre moralisch der einfachste Weg, aber eine ausgetretene Geschichte ohne großen Mehrwert. Stattdessen beleuchtet Dunkelblum die inneren Konflikte ehemaliger „Mitläufer“ sowie die Ausreden, mit denen die Gesellschaft selbst fraglichste Biographien duldet. Dunkelblum zeigt aus erster Hand, wie dieses Verdrängen unmittelbar nachfolgende Generationen betrifft und weshalb Erinnerungskultur auch mit zunehmender zeitlicher Distanz nie an Relevanz verliert.
Der Roman arbeitet mit zwei verschiedenen Linsen: Einmal das millimeternahe Kleinstadt-Auge, das viele Aspekte der kritischen Betrachtung nur impliziert – oder gleich vollkommen den aufgeklärten Leser*innen anvertraut. Und zweitens: die modernere kosmopolitische Linse, in Form der überregionalen Berichterstattung über die Kleinstadt. Letztere wird selten, aber gezielt eingesetzt, um die dominierende Kleinstadtperspektive kurzzeitig aus einer reflektierteren Distanz zu betrachten. Aber auch hier erkennt der Roman die Dynamiken einer solchen Berichterstattung von oben herab, beim Blick auf „das Kaff im Burgenland“.
Das langsame Erzähltempo profitiert davon, dass das große Puzzle „Was ist damals passiert?“ stets im Hintergrund schwebt und die fehlenden Teile zum Greifen nah scheinen. Die Einwohner*innen des Ortes lösen das kollektive Rätsel in unzähligen narrativen Perspektivwechseln.
Sie ermitteln auf organische Weise, mit wenig Koordination. Einige kleine Gruppen organisieren sich gezielt, manch andere tragen nur aus Neugier zum Fall bei. Wieder andere manipulieren und verstcken lieber einige der Puzzleteile. Mit diesen komplexen Verhältnissen zeigt Dunkelblum, wieso es mit der Wahrheit manchmal nicht so einfach ist, wie wichtig sie aber dennoch ist.
Persönlich und detailliert zeigt Dunkelblum die abstruse Solidarität der Schuldigen, mit der jede Familie auf ihre Weise die Nazi-Verbrechen verdrängt; und was passiert, wenn Jahrzehnte später alles auf einmal aufkocht.
Als äußerst menschlicher Roman tappt Dunkelblum dabei nicht in die Falle, die Verbrechen einfach zu schildern, sie zu verurteilen und einen Haken dranzumachen. Das wäre moralisch der einfachste Weg, aber eine ausgetretene Geschichte ohne großen Mehrwert. Stattdessen beleuchtet Dunkelblum die inneren Konflikte ehemaliger „Mitläufer“ sowie die Ausreden, mit denen die Gesellschaft selbst fraglichste Biographien duldet. Dunkelblum zeigt aus erster Hand, wie dieses Verdrängen unmittelbar nachfolgende Generationen betrifft und weshalb Erinnerungskultur auch mit zunehmender zeitlicher Distanz nie an Relevanz verliert.
Der Roman arbeitet mit zwei verschiedenen Linsen: Einmal das millimeternahe Kleinstadt-Auge, das viele Aspekte der kritischen Betrachtung nur impliziert – oder gleich vollkommen den aufgeklärten Leser*innen anvertraut. Und zweitens: die modernere kosmopolitische Linse, in Form der überregionalen Berichterstattung über die Kleinstadt. Letztere wird selten, aber gezielt eingesetzt, um die dominierende Kleinstadtperspektive kurzzeitig aus einer reflektierteren Distanz zu betrachten. Aber auch hier erkennt der Roman die Dynamiken einer solchen Berichterstattung von oben herab, beim Blick auf „das Kaff im Burgenland“.
Das langsame Erzähltempo profitiert davon, dass das große Puzzle „Was ist damals passiert?“ stets im Hintergrund schwebt und die fehlenden Teile zum Greifen nah scheinen. Die Einwohner*innen des Ortes lösen das kollektive Rätsel in unzähligen narrativen Perspektivwechseln.
Sie ermitteln auf organische Weise, mit wenig Koordination. Einige kleine Gruppen organisieren sich gezielt, manch andere tragen nur aus Neugier zum Fall bei. Wieder andere manipulieren und verstcken lieber einige der Puzzleteile. Mit diesen komplexen Verhältnissen zeigt Dunkelblum, wieso es mit der Wahrheit manchmal nicht so einfach ist, wie wichtig sie aber dennoch ist.