A review by adornhoe
Cold Calls, by Charles Benoit

2.0

Eric, Shelly und Fatima haben eigentlich nichts gemeinsam – sie gehen auf unterschiedliche Schulen, haben unterschiedliche Hobbies und Interessen, und hätten sich wahrscheinlich nie kennengelernt. Wären da nicht die anonymen Anrufe gewesen die die drei bedrohen: wenn sie nicht jeweils ein bestimmtes Kind aus ihrer Schule mobben, so droht die anonyme Stimme am Telefon, kommt ein dunkles Geheimnis aus ihrer Vergangenheit ans Tageslicht. Verzweifelt handeln die drei, wie es ihnen befohlen wurde, und schikanieren Mitschüler*innen, die ihnen nichts getan haben. So kommt es, dass sie sich auf einem von der Schule verordneten Anti-Mobbing-Lehrgang treffen. Als ihnen klar wird, dass sie alle drei diese Anrufe bekommen, beschließen sie, herauszufinden, wer dahinter steckt – und das möglich bald, es sind nur noch wenige Tage, bis sie die Quälerei ihrer Mitschüler zu einem großen Finale treiben sollen!

Cold Calls lieh ich mir aus der Bücherei aus, da ich mir von der Geschichte Unterhaltung mit der Atmosphäre von Pretty Little Liars erhoffte – düstere Geheimnisse, Erpressung, unterschiedliche Menschen, die sich zusammenschließen müssen, um einen gemeinsamen Feind zu entlarven …

Leider war das Leseerlebnis aber eine ziemliche Enttäuschung. Das lag zum einen an der Erzählweise, die mich oftmals eher an die Zusammenfassung eines Buches erinnerte, als an ein fertiges Buch – so als hätte der Autor hier nur in einem ersten Entwurf die Geschichte und die Charaktere skizziert, als sie wirklich auszuarbeiten. Dabei haben die Charaktere wirklich Potential und ich habe das ganze Buch eigentlich nur darauf gewartet, sie und ihre Konflikte endlich näher kennen zu lernen, nur leider kam dieser Moment nie und ich fühlte mich, als müsste ich mich mit der Andeutung von Charakteren begnügen. Demzufolge kam für mich auch nicht wirklich Spannung auf, da ich bei Ereignissen, die für mich so farblos und nichtssagend blieben, nicht wirklich mitfiebern konnte.

Mit dieser Beschwerde verbunden hatte ich einfach das Gefühl, dass das Buch nach dem Motto „je weniger die Lesenden wissen, desto spannender wird es“ geschrieben wurde, und das stimmt leider nicht immer. So erfährt man erst relativ spät, was genau denn die Geheimnisse sind, die Eric, Shelly und Fatima verbergen wollen. Das macht aber, von der Art, wie das Buch geschrieben ist, keinen Sinn: die Kapitel sind abwechselnd aus der Perspektive der drei geschrieben, zwar nicht in der Ich-Perspektive, doch es wird dennoch klar, dass man sich quasi im Kopf des jeweiligen Charakters befindet. So ist es relativ unsinnig, die Gedanken eines Charakters so zu umschreiben, dass die Lesenden nicht wissen, worum es geht, und macht es meiner Meinung nach auch nicht besonders spannend. Wenn ich um einen Protagonisten bangen soll, möchte ich ja zunächst einmal wissen, was dieser zu verlieren hat!
Das beschreibt auch Kasimira in ihrer Rezension: „Charles Benoit scheint Meister darin zu sein, Elemente auszulassen oder zu umschreiben.So wird nicht erwähnt, was für ein geflüsterter Satz Eric beim ersten Telefonat so aus der Fassung bringt, was auf dem zweiten Foto zu sehen ist oder was Shelley zu ihrem Mobbingopfer sagt … Das kann Spannung erzeugen und für eine gewisse Dramatik sorgen, manchmal aber auch ein wenig nerven, da besonders zu Beginn manche Dinge auch in Rückblenden nicht mehr erklärt werden, die für den Leser interessant sein könnten.“ Ein weiteres Beispiel ist für mich Fatima, die ein großes Talent zur Recherche und der logischen Analyse von Zusammenhängen besitzt. Darüber hätte ich gerne mehr erfahren, doch statt wirklich auszuschreiben, welche Verbindungen sie zieht, zu welchen logischen Schlüssen sie kommt, umschreibt Charles Benoit nur sehr vage dass sie ebenjenes tut, was wieder mal nicht dazu beitrug, mir den Charakter näher zu bringen oder Handlungen und Motivationen schlüssig wirken zu lassen.

Ein weiterer Punkt, der zu meiner Enttäuschung beitrug, war, dass die Auflösung für mich sehr, sehr antiklimaktisch war. Als ich erfuhr, warum sich jemand all diese Mühe mit der Erpressung macht, dachte ich nur „Nee, echt jetzt?!“ und fühlte mich von dem Buch ein bisschen verar***t.