A review by hamsterseiten
Altes Land by Dörte Hansen

funny relaxing medium-paced
  • Plot- or character-driven? Character
  • Strong character development? No
  • Loveable characters? Yes
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

3.5

 Ich bin bei dieser Rezension nicht ganz unbefangen, denn ich habe selbst Verbindungen ins alte Land. Eine Zeit lang war ein Mensch mit Wochenendhaus bei Krautsand Teil meines Lebens, und so kann ich mir durchaus etwas vorstellen unter knorrigen Apfelbäumen und feuchten Reetdächern.
 
 Dörte Hansens Buch spielt in dieser Welt an der Elbe bei Stade und zum Teil auf der anderen Elbseite, in Hamburg Ottensen. Sie erzählt die verwobene Geschichte dreier Generationen. Hildegard kommt als ostpreußischer Flüchtling in das Haus von Ida und ihrem Sohn Karl. An der Hand hält sie ihre Tochter Vera, die auch noch dann im Haus lebt, als alle anderen bereits gegangen sind. Viele Jahre später steht Anne mit ihrem Sohn Leeon vor der Tür. Sie ist Veras Nichte und auf der Suche nach einer Unterkunft.
 
 Es entspinnt sich ein Alltagsdrama um Familie, Identität und Geschichte. Dörte Hansen erzählt vom Schrecken der Flucht, dem Horror des Krieges, den Tücken des Landlebens und den Neurosen der Hamburger, als hätte sie alles selbst miterlebt und genau beobachtet. Es entsteht ein Mikrokosmos, in dem man glaubt, alle Akteure genauestens zu kennen, von ihren Macken und Anwandlungen bis zum Stammbaum und der Farbe des Hausdaches. Dabei sind die Nebencharaktere ebenso plastisch gestaltet wie die Protagonistinnen: der sorgfältig Heinrich Lührs, die energische Dorfmutter Britta, der zugezogen Fotojournalist, selbst die Kindergärtnerin.
 
 Diese Charaktere und ihre Geschichten machen dieses Buch lesenswert, das manchmal in Klischees abzurutschen droht und sich immer an der Grenze zwischen Bezauberung und Kitsch bewegt. Was dem Klappentext nicht zu entnehmen ist, ist dass sich Hildegards Flucht als Motiv zwar durch den Text hindurchzieht, aber nie das Hauptthema ist. Stattdessen bietet sie den Rahmen der Handlung, ist die Prämisse für die Handlungen und Emotionen der Protagonistinnen. Diese Schilderung habe ich als sehr realistisch empfunden. Das Thema ist irgendwie präsent, ohne jemals im Vordergrund zu stehen. Wer hier allerdings nach einer literarischen Aufarbeitung von Flucht und Ankunft im Alten Land sucht, wird durch dieses Buch nur begrenzt zufriedengestellt werden. Die Abhandlung dieses Thema geschieht in den Zwischentönen.
 
 Insgesamt ist dieses Buch eine schöne und gar nicht mal wenig tiefgründige Lektüre für nachdenkliche Nachmittage. Weniger geeignet dürfte sie für Männer aus Hamburg Ottensen sein. Aber das ist ja auch mal in Ordnung.
 
 
 Insgesamt bewerte ich das Buch mit 3,5 Sternen. Das bedeutet: Es hat mit gut gefallen.
 

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