A review by thranky
Harry Potter and the Deathly Hallows by J.K. Rowling

5.0

So geht sie also zu Ende, die große Saga, die Harry Potter-Septologie - und eines der größten Buchwunder, die meine Generation je hat erleben dürfen.

Eigentlich ist dieses Mal alles ganz anders. Harry und seine beiden Freunde, Hermine und Ron, kehren nicht mehr nach Hogwarts zurück. Denn Albus Dumbledore, seines Zeichens größter Magier aller Zeiten, hat Harry eine Aufgabe hinterlassen: Finde die Horcruxe, die Lord Voldemort am Leben halten, vernichte sie, und dann bereite deinem Erzfeind ein Ende! Kleinigkeit für einen 17/18jährigen jungen Burschen, dem im Leben noch nie sonderlich viele gute Dinge widerfahren sind.

In atemberaubender Geschwindigkeit verdreht und verflechtet J.K. Rowling in diesem letzten Band eine ganze Reihe von Handlungen und Geschehnissen. Während einerseits die magische wie die nichtmagische Welt aus den Fugen gerät, immer dunkler wird und von Mord, Angst und Willkür dominiert wird, hechten unsere Helden gut versteckt von einem geschichtsträchtigen Ort zum anderen, um die widerspenstigen Seelenfragmente Voldemorts aufzuspüren. Die Zeichen stehen nicht gut: Inzwischen dominiert der dunkle Magier das Zaubereiministerium, die Zaubererschule Hogwarts und nichts und niemand scheint sich seinem langen Arm mehr entziehen zu können. Es fehlt nur eines zu seinem großen Triumpf: der Tod des Jungen Harry Potter.

Und der irrt fleißig umher, alles andere als erfolgreich auf seiner Suche. Schließlich bringt diese glücklose Reise sogar Ron gegen ihn auf, der das Team kurzerhand im Stich lässt. Harry indes ist so ratlos wie zuvor, findet keine Spur und wird zunehmend wütender auf seinen ehemaligen Lehrer, der ihm vor dem Tode so gut wie keine Hinweise hinterlassen hat. Schließlich sind es die Deathly Hallows, die Heiligtümer des Todes, welche ihn, Hermine (und auch den zurückgekehrten Ron) wieder auf die richtige Spur bringen. Ein Elder Wand, ein Invisibility Cloak, ein Resurrection Stone. Drei Gegenstände von bestechender Macht, die gemeinsam zum Gebieter über den Tod machen.

Lange Rede, kurzer Sinn - es gelingt den Helden auf vielen, teils etwas lang gezogenen Seiten der Horcruxe habhaft zu werden und sie zu zerstören, bis zuguterletzt nur noch das Diadem von Ravenclaw und die Schlange des dunklen Lords übrig bleiben. Mit einem Mal ändert sich das Tempo des Buches, denn Voldemort ahnt, was vor sich geht: sicherheitshalber grast er die übrigen Horcruxe ab, was Harry dank mentaler Dauerverbindung observieren kann. Doch die Zeit drängt, und die Helden kehren in eine Schule zurück, die von Todessern kontrolliert wird.

Doch die Zeit ist zu knapp - das Diadem ist zwar zerstört, doch die Schlange lebt, und der Kampf um die Schule, und um die Freiheit der Welt, beginnt. Ein finaler Kampf, der über den weiteren Verlauf der Geschichte bestimmen soll. Viele sterben im Kampf, doch ausgerechnet der dunkle Lord bleibt diesem fern, tötet stattdessen seinen vermeintlich getreuen Diener Snape, um den Elder Wand gefügig zu machen.

Die Geschichte kulminiert im ersten großen Showdown der beiden Widersacher im Wald, in dem Voldemort Harry ohne große Gegenwehr zur Strecke bringt. Doch Harry stirbt nicht, stattdessen stirbt der siebte Horcrux, ein Seelenfragment, das Voldemort unwissentlich an ihm befestigt hatte, als er dessen Eltern tötete. Harry kehrt zurück zu den Lebenden, erneut - doch nicht, ohne vorher viele Erkenntnisse in einem jenseitigen Leben zu erhalten, von niemand anderem als Dumbledore selbst.

In der Schule schließlich kommt es zum finalen Kampf, in dem Voldemort sich siegessicher wähnt, da er immer noch von Harrys Tod ausgeht. Zwei Kämpfe stehen über allen anderen: Bellatrix Lestrange, die finstere Streiterin an Voldemorts Seite, gegen Molly Weasley, die in Angst um ihre Kinder der zerrupften Schwarzmagierin den Gar aus macht. Und Voldemort, der sich erneut Harry gegenüber sieht - und erkennen muss, dass er nicht verstanden hat, wie der Elder Wand und viele andere Dinge funktionieren. Zu spät für ihn: er stirbt. Und die Geschichte, über sechs lange Bände aufgebaut, endet mit dem Sieg der Freiheit und des Guten. Juhu!

Wie oben bereits erwähnt, zeichnet sich der siebte Band wieder einmal durch einige unnötige Längen aus. Wie oft findet man die Protagonisten beim Zelten und ihre Schutzzauber sprechen - das mag ein oder zweimal interessant sein, nutzt sich dann jedoch rasch ab. Enervierend auch die Suche nach den Horcruxen, denn da deren Suche und Zerstörung sich über zwei Bücher und teils sogar außerhalb des erzählten Teils der Geschichte bewegt, ist es nicht immer ganz einfach, dem Plot noch zu folgen. Was fehlt jetzt noch? Was wollen die drei eigentlich gerade zerstören? Andererseits unterstreicht genau das wiederum den planlosen Charakter der Weltrettungsmission sehr gut.

Als siebter und letzter Band kommt es den Heiligtümern des Todes natürlich zu, mit allen möglichen Handlungssträngen aufzuräumen. Und genau das geschieht auch auf befriedigende Art und Weise. Severus Snape etwa erhält späte Wiedergutmachung, indem Harry mittels Denkarium die wahren Hintergründe seiner Handlungen erfährt - Wiedergutmachung für den Verlust seiner großen Liebe, Harrys Mutter. Der Besuch zahlreicher Orte, die nicht nur für Voldemort, sondern eben auch für Harry essenziell sind - etwa Godric's Hollow, wo wir endlich den Ort kennen lernen, an dem alles begonnen hatte, an dem Voldemorts grüner Todesblitz gründlich schief ging.

Und über alledem natürlich Dumbledores Offenbarung im Zwischenreich. Dumbledore, der bis dahin sowieso schon mein liebster Charakter war, dem Rowling aber just im Tode noch ein soviel mehr an Menschlichkeit einhaucht. Ein Dumbledore, der gefehlt hat. Der nach einer Macht und einer Position strebte, die ihm nie gestanden hätte. Ein junger Mann, der so von sich erfüllt war, dass daneben alle anderen verblassten und schließlich verschwanden. Ein Mann, dem all dies schlussendlich auf die Füße fiel, und der selbst in den Tod hinein von Gram über jenes geprägt wurde, was er zu Lebzeiten falsch begangen hatte. Dumbledore, der im Tod plötzlich nicht mehr der allwissende Lehrer, der gütige Mentor, der Schutzpatron sein muss, sondern der Harry endlich auf Augenhöhe entgegen treten und offen mit ihm sprechen kann. Was für eine befreiende, offene, ehrliche Szene!

Mir besonders im Kopf wird allerdings vermutlich Gellert Grindelwald bleiben, der in diesen Büchern zwar vor allem im Hinblick auf die Heiligtümer des Todes genannt wird, aber in den nun sukzessive veröffentlichten Fantastic Beasts-Filmen eine weitaus bedeutendere Rolle einnimmt. Ein blonder, charmanter junger Mann, der den Elderstab stibitzt, der gemeinsam mit seinem "besten Freund" Albus an Machtplänen schraubt, sich nach dem tödlichen Unfall mit Dumbledores Schwester schließlich absetzt und alleine an der Beherrschung der Muggel schraubt. Was für eine faszinierende Persönlichkeit. Grausam, schrecklich, aber faszinierend. Insbesondere in seiner Beziehung zu Dumbledore, die nicht zuletzt dank Rowling selbst den Pfad sturer Machtbesessenheit oder meinetwegen platonischer Zugneigung verlassen hat. So war es Rowling selbst, die Dumbledore romantische Gefühle für den blonden Weltvernichter zuschrieb, und wenigstens augenblicklich weiß wohl nur sie alleine, inwieweit das auf Gegenseitigkeit beruhte. Es ist nun aber ausgerechnet Grindelwald hoch droben in seiner Zelle in Nurmengard, der Voldemort im Angesicht seines Todes lachend in die Irre zu treiben versucht - vielleicht, wie Harry mutmaßt, damit jener nicht das Grab des Hogwarts-Headmasters entweihen würde. Wie viel darin mag wohl Reue gewesen sein - und wie viel Zuneigung zu einem wichtigen Menschen der eigenen Geschichte?

Harry Potter and the Deathly Hallows ist ein trauriges Buch. Nicht des Endes wegen. Sondern weil es endet. Rowling hat es geschafft, mit ihren Büchern ein Universums zu erschaffen, das die Kreativität und die Fantasie nicht nur junger Leser maßgeblich angeregt hat. Wer das Buch auf Englisch liest, der erkennt ihre sprachliche Gewandtheit, mit der sie große Sentenzen gleichsam schwingt wie kindliche Gemütsverirrungen beschreibt. Die Leichtigkeit, mit der sie mächtige Handlungsstränge verwebt und zu einem einheitlichen Guss werden lässt. Nicht immer sind die bedruckten Seiten spannend, tragen sie sinnstiftend zum Fortgang der Geschichte bei - und an mancher Stelle hat man gar den Eindruck, dass die vertraglich auferlegte Pflicht, sieben Bände zu schreiben, gegen Ende die Einfälle hat dünn werden lassen. Das kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass Rowling hier ein Werk gelungen ist, das weit mehr ist als nur fantastische Literatur, das Zeitgeschichte und die Geschichte der Moderne mit den Problemen heranwachsender Hormone und selbst tiefgreifenden psychologischen Problemen zu verbinden versteht. Ein beeindruckendes Buch, das viele inzwischen sicherlich gefühlte tausend Male gelesen haben, und bestimmt auch beim 1001sten Mal noch eine Kleinigkeit entdecken werden, an die sie bis dahin noch nicht gedacht hatten.