A review by fxnn
Der Richter und sein Henker/Der Verdacht by Friedrich Dürrenmatt

5.0

Zwei Kriminalromane präsentiert Dürrenmatt hier, beide um den alten Kommissar Bärlach, der ob seines Krebsleidens nur noch kurze Zeit zu leben hat, doch noch einiges an Rechnungen offen hat.

Stets merkt man Dürrenmatt dabei nicht nur sprachliche Überlegenheit an, sondern auch seine hohe Kunst in der Dramatik. Jede Szene des Buchs ist überlegen und greifbar gezeichnet; allein schon jene Kunst des Bühnenbaus (im Kopf des Lesers) verleiht den beiden Werken einiges an Spannung. Die Stimmung ist durchweg düster, die Motive der handelnden Personen bleiben lange Zeit im Dunkeln verborgen, und insbesondere Bärlach ist, gerade im ersten Roman, für einige Überraschungen gut.

"Der Richter und sein Henker" stellt den spannendsten der beiden Romane dar: er macht dem "Krimi" alle Ehre, präsentiert einen hervorragend gebauten Fall, den es zu lösen gilt, umschifft aber dabei -- so empfand ich es jedenfalls -- die klassischen und immer gleichen Muster von Krimis, wirkt eigenständig, außergewöhnlich. Der Leser bleibt jedenfalls stets am Rätseln, und wird zugleich von der sprachlichen Tiefe mitgenommen.

"Der Verdacht" ist nüchterner angelegt und orientiert sich nicht mehr so stark am klassischen Hintergrund eines Kriminalromans, genauso wenig, wie es sich hier um einen klassischen Krimi-Verbrecher handelt. Bereits "Der Richter und sein Henker", in der Nachkriegszeit geschrieben, beschäftigte sich mit der NS-Zeit in Deutschland, jedoch eher am Rande. "Der Verdacht" dagegen steigt direkt in diese Thematik ein, und es sind nicht gewöhnliche Diebe oder Mörder, die Bärlach hier jagt; der Roman erzählt das Aufeinandertreffen zwischen Kommissär und einem KZ-Arzt, berüchtigt für seine Grausamkeit.

Und während hier für mich die Spannung tendentiell eher im Hintergrund stand, weniger Rätselhaftes auf seine Lösung wartete, glänzte "Der Verdacht" vorallem dadurch, dass er wahnsinnig atmopshärisch ist, wortgewaltig, düster und bewegend, tief, geradezu nihilistische Gedanken offenbart und streiten lässt gegen Lebensbejahung. Hoffnung wechselt sich hier ab mit schwärzestem Schwarz --


Ich bin keineswegs der klassische Krimi-Leser; die handwerkliche Kunst und die Ausgefeiltheit beider Geschichten rissen mich jedoch von Anfang an mit sich. Aber auch für Krimi-Fans, welche weniger Wert auf Tiefgang und starke Gedankengebäude legen, dürfte insbesondere der erste Roman einiges zu bieten haben.