A review by lfjm
Verliere mich. Nicht. by Laura Kneidl

emotional hopeful sad medium-paced
  • Plot- or character-driven? Character
  • Strong character development? Yes
  • Flaws of characters a main focus? Yes

3.5

Obwohl Sages Entwicklung eigentlich im Fokus der Geschichte steht, kommt sie so langsam voran, dass es irgendwann nur noch frustrierend ist. Immer wieder begeht sie die gleichen Fehler und man hat das Gefühl, dass sie sich ständig im Kreis dreht. Ihre Angststörungen und Traumata sind zwar realistisch dargestellt, aber es wiederholt sich ständig das Muster: Sage vertraut Luca, stößt ihn weg, nähert sich ihm wieder an, nur um ihn erneut zu verdrängen. Das zieht sich durch den gesamten Roman. Ihre innere Zerrissenheit und die Angst, sich anderen zu öffnen, sind nachvollziehbar, aber die Tatsache, dass sie kaum aus ihren Fehlern lernt und nicht schneller auf Heilung zusteuert, lässt sie teilweise ziemlich tatenlos erscheinen. 
 
Luca ist in „Verliere mich. Nicht.“ leider ziemlich eindimensional. Er wird zwar als verständnisvoller und geduldiger Freund dargestellt, aber seine eigene Entwicklung ist kaum erkennbar. Er ist im Grunde der "perfekte Freund", der immer für Sage da ist, aber auf Dauer wird das etwas langweilig, weil er keine echten inneren Konflikte hat. Er ist im Wesentlichen der klassische „Rettungsanker“, und das sorgt dafür, dass die Beziehung zu Sage ziemlich einseitig bleibt.
 
Ein weiteres Problem ist, dass sich die Geschichte oft zu sehr auf das Drama zwischen Sage und Luca konzentriert, während die eigentlichen Probleme in den Hintergrund rücken. Die ständigen Konflikte zwischen den beiden lassen den Eindruck entstehen, dass das Buch mehr auf emotionale Spannungen abzielt, anstatt sich tiefgehend mit Sages Traumata und deren Heilung auseinanderzusetzen. Besonders in der zweiten Hälfte fühlt sich das Drama teilweise künstlich erzeugt an, nur um die Handlung voranzutreiben, anstatt nachhaltige Lösungen für die Probleme der Charaktere zu bieten.
 
Ein weiterer Aspekt, der mir nicht gefallen hat, ist die Darstellung der Therapie. Sage beginnt zwar eine Therapie, aber diese bleibt größtenteils im Hintergrund. Der Prozess der Heilung wird nicht wirklich tiefgehend behandelt, und die Therapie erscheint mehr wie eine Erzählung im Nebensatz, anstatt ein wesentlicher Teil ihrer Bewältigungsstrategie zu sein. 
 
Was den Konflikt mit ihrem Stiefvater angeht, der sie jahrelang missbraucht hat, fehlt es dem Ende ebenfalls an Substanz. Sages Leben ist von der Angst geprägt, dass er zurückkehren und ihr erneut schaden könnte. Diese Angst führt zu ihren massiven Problemen im Umgang mit anderen Menschen, insbesondere Männern. Man erwartet also eine emotionale und befreiende Konfrontation mit Ihrem Stiefvater am Ende, die sie endgültig von dieser Last befreit. Stattdessen ist die Auflösung überraschend unspektakulär. Sage erfährt einfach, dass er festgenommen wurde, nachdem er ihre Mutter angegriffen hat, und sie somit keine Bedrohung mehr durch ihn zu befürchten hat. Diese Info wird fast beiläufig präsentiert, ohne dass es eine wirkliche emotionale Auseinandersetzung gibt – weder physisch noch psychisch.
 
Statt einer intensiven, emotionalen Konfrontation löst sich das Problem mit dem Stiefvater irgendwie von selbst. Diese passive Auflösung war einfach enttäuschend, besonders angesichts der Schwere von Sages Trauma, das eigentlich nach einer intensiveren Auseinandersetzung und einer aktiveren Rolle von ihr verlangt hätte. Diese verpasste Möglichkeit schwächt auch den emotionalen Höhepunkt der Geschichte.
 
Zusammenfassend muss ich sagen, dass mich die Geschichte enttäuscht hat. Nach all den positiven Feedback über die Autorin und die Reihe hatte ich viel mehr erwartet. Ich werde die Reihe auch nicht weiterverfolgen. Ich kann mir schon denken, in welche Richtung Laura Kneidl die Nebencharaktere bzw. die nächsten Hauptcharaktere der Geschichte entwickeln wird, und bin sicher, dass ich nur noch mehr enttäuscht wäre. Auch der Schreibstil spricht mich nicht an – noch mal hunderte Seiten davon kann ich mir einfach nicht antun. Wenigstens weiß ich jetzt, dass diese Autorin nichts für mich ist.