A review by janbo
Jenseits von Gut und Böse by Friedrich Nietzsche, Giorgio Colli, Mazzino Montinari

4.0

Der Philosoph mit dem Hammer schlägt zu. Und mit jedem Satz sitzt ein harter Treffer.
Was mich besonders überrascht hat, war Nietzsches beeindruckende Ausdrucksstärke und Wortgewandtheit, die ich so noch bei keinem deutschen Philosophen gefunden habe.
Zunächst nimmt er einflussreiche Philosophen seiner Zeit mit viel Polemik gekonnt auseinander. So bleibt etwa von Kants Synthese von Werturteilen a priori nicht viel übrig, nachdem Nietzsche mit der bloßen Frage nach der Notwendigkeit diesem Konstrukt jegliche Grundlage entzieht. Während er Kant in wenigen, prägnanten Sätzen vernichtet, spottet er natürlich noch darüber, dass dieser "umständlich, ehrwürdig und mit einem solchen Aufwande von deutschem Tief- und Schnörkelsinne" schreibt.
Zudem kritisiert Nietzsche das Christentum und vor allem Christen hart. Als Christ teile ich hier viele seiner Annahmen nicht und kann entsprechend auch seine Argumente nicht unterstützen. Ich muss nichtsdestoweniger anerkennen, dass seine Logik innerlich schlüssig funktioniert, seine Kritik gut informiert und alles andere als oberflächlich ist und Nietzsche sich wirklich darauf versteht, wunde Punkte zu finden. So finde ich etwa folgendes Zitat eine gleichmaßen eloquente wie berechtigte Kritik an mancher Christenheit:
"Es ist furchtbar, im Meere vor Durst zu sterben. Müsst ihr denn gleich eure Wahrheit so salzen, dass sie nicht einmal mehr - den Durst löscht?"
Auch ist Nietzsche als Kritiker des Christentums gerade deswegen so effektiv, weil er darin einen gesellschaftlichen Wert sieht.
Außerdem ist historisch interessant, wie Nietzsche zur Rassenlehre im vornationationalsozialistischen Deutschland schreibt und dass er diese ausgerechnet gegen den Antisemitismus einsetzt.
Insgesamt bin ich zu vielleicht 10% des Inhalts durchgedrungen und werde dieses Buch zweifelsohne erneut lesen.