A review by stefaniefrei
Schwesternmord, by Tess Gerritsen

3.0

Von Liebe und Obsession

Stell‘ dir vor, du kommst nachts heim von einer beruflichen Veranstaltung, verspätet, im Jetlag, und vor deinem Haus ist die Straße gesperrt, Blaulicht, viele Polizeifahrzeuge, entsetzte Nachbarn. Aber bei den Nachbarn ist nichts passiert. Dann darfst du erfahren, dass in dem Auto vor deiner Haustür eine Frau sitzt. Erschossen. Und die – sieht aus wie du! So geht es los in dem, was sich als richtiger Pageturner für mich erwies, wenn auch mit einigen Einschränkungen zu Logik und Plausibilität. Es geht übrigens nicht um dich oder mich, die heimgekehrte Frau ist Dr. Maura Isles, Gerichtsmedizinerin. Und sie ermittelt mit der Polizistin Jane Rizzoli zusammen.

Das Buch ist Band 4 der Serie, ich hatte die anderen nicht gelesen, was problemlos ging trotz der mehrfachen Erwähnung eines vorigen Falls. Nach einem zu Beginn nur Verwirrung stiftenden Prolog, der sich später selbstverständlich nahtlos einfügt, ist der Leser gleich mittendrin und bleibt es auch. Die Nacht wurde kurz für mich – sehr spannend, sehr mitreißend. Irgendwie war ich dennoch direkt im Anschluss schon heimgesucht von dem unguten Gefühl, es sei „zu viel“ des Guten. Das sind zu viele Zufälle, die nötig sind, damit der ganze Fall erst möglich wurde. Da bekommen Kriminelle ein Kind, das weit weg von diesen aufwächst, seine Eltern nie kennenlernt, und zielsicher einen Job auf Seiten des Gesetzes wählt (das Kind des Tierquälers wäre analog dann Tierschützer usw., ganz zufällig). Und ein Fall bringt genau diese Leute zusammen (und nein, das ergibt sich hier nicht wirklich logisch, nicht, wenn man den Ursprung der Kratzer kennt).

Bis dahin jedoch ist die Handlung wirklich spannend, wie die „Königin der Toten“ (S. 41) Maura Isles und ihre im 8. Monat schwangere Polizisten-Kollegin Jane Rizzoli (ja, die USA und der deutsche Mutterschutz haben wenige Berührungspunkte) ermitteln. Maura misstraut bald ihrem ganzen Umfeld, dafür steht sie emotional zwischen gleich zwei Männern, noch dazu einer ein Priester, der andere ein überengagierter Cop in dem Fall. Außerdem wirft die Handlung noch Fragen dazu auf, wodurch bestimmt wird, wer wir sind, durch unsere Gene oder durch unsere Sozialisation, und mit welchem Wissen wir leben können.

Ich schwanke zwischen 3 und 4 Sternen. Spannend, ja, aber die Plausibilität? Außerdem bin ich gerade im Frust zu „NOCH eine Serie??“. Ich runde genervt 3,5 Sterne ab zu 3 für „Schwesternmord“ (passt nicht, niemand ermordet seine Schwester – aber das Original „Body Double“ ist auch nicht so prickelnd).

Kleiner Nachtrag zu der Fernsehreihe:
Wenn ich das zusammenbekomme, ist der Fernsehcharakter der Ärztin eher fast zwanghaft koordiniert, gebildet, beherrscht – in die Nähe gesetzt zu dem beliebten Serien-Typus des Asperger-Autisten. Die Buch-Pathologin darf hingegen fluchen und kippt Drinks in doch reichlicher Frequenz. Außerdem ist sie schwarzhaarig. Die Herkunftsfamilie ist deutlich anders angelegt (ich meine, ein Mafia-Vater oder so?, deshalb wurde sie zur Adoption freigegeben von ihrer charakterlich ähnlichen Ärztin-Mutter, ich grübele gerade).
Die Buch-Rizzoli ist früh verheiratet und halt schwanger. Im TV ist sie eher Beziehungs-Chaot, auch spielt ihre Familie auf dem Bildschirm eine große Rolle.