A review by nina_11
Bissle Spätzle, Habibi? by Abla Alaoui

informative reflective slow-paced
  • Plot- or character-driven? Character
  • Strong character development? No
  • Loveable characters? It's complicated
  • Diverse cast of characters? Yes
  • Flaws of characters a main focus? Yes

3.0

Zu diesem Buch gibt es richtig viel zu sagen, da ich aber natürlich nicht jeden spoilern, möchte soviel vorab: Mit dem Klappentext hat es relativ wenig zu tun. Tatsächlich habe ich kaum ein Buch gelesen, das einen so in die Irre führt. Der Klappentext lautet:

"Amaya will keine Almans mehr daten – doch dann verliebt sie sich in einen Schwaben ... 

Amaya ist 30 und Single. Eine Konstellation, die ihre marokkanischen Eltern in stete Sorge versetzt. Um ihnen einen Gefallen zu tun, geht Amaya auf ein Date mit Ismael, den ihre Mama auf der muslimischen Dating-App Minder gefunden hat. Doch es ist sein bester Freund Daniel, der ihr Herz höherschlagen lässt. Daniel ist allerdings nicht nur Atheist, was bei Amayas Baba schon für Sodbrennen sorgen würde, sondern Schwabe – kulturelles Neuland für Amaya. Als sie ihren Eltern aus der Not heraus schließlich Ismael als potenziellen Schwiegersohn vorstellt, während Daniel staunend daneben sitzt, ist das Chaos perfekt ...

Darauf erst einmal eine Portion Spätzle, Habibi!

***

Hast du Lust auf eine zauberhafte Liebesgeschichte mit sprühendem Humor und feinfühligem Zeitgeist? Dann lass dich von Abla Alaouis Debüt mitreißen! "

- Man erwartet ein locker-leichtes Buch, mit viel Liebe (fake boyfriend trope). Stattdessen liegt der Fokus ganz klar auf anderen Themen wie etwa Kultur, Religion und das Abnabeln von den Eltern. An sich ist das nicht schlimm, aber ich kann verstehen, wenn man dann doch enttäuscht ist, einfach weil man etwas anderes erwartet. 

Nun folgen SPOILER

Negativ auffällig war, dass in dem Buch einige Situationen wie eingeschoben wirkten. Manchmal gab es solche Zeitsprünge, dass ich beim Lesen stutzig wurde. Ich habe sogar noch einmal zurückgeblättert, weil ich mir sicher war, etwas überflogen zu haben... So zum Beispiel auch die Tatsache, dass die eigentliche Liebesgeschichte von Daniel und Amaya nur nebenbei abspielt. Sie lernen sich kennen und im Nachgang wird der erste Kuss beschrieben. Nachdem sie schon ein Jahr zusammen sind. Als Lesere denkt man sich nur: " Wie, die sind schon zusammen...was schon ein Jahr...???" usw. Das war sehr schade, denn so ist die Liebe zwischen Amaya und Daniel gar nicht richtig rübergekommen. Es wirkte dauerhaft oberflächlich. 

Auch mit den Charakteren hatte ich so meine Probleme. Zugegeben, nichts ist nerviger als perfekte Menschen in Büchern, die immer perfekt handeln. Aber wisst ihr was noch nerviger ist? Strenge Eltern. Und Amayas Eltern sind sehr, sehr streng. Durch ihre ständige Zurechtweisung sind sie mir schnell unsympathisch geworden. Solche Eltern als Teenager zu haben, ist eine Sache. Aber Amaya ist in der Geschichte 30+ und trotzdem wird sie wie ein kleines Kind behandelt. Kein Wunder also, wenn sie sich ständig Lügen ausdenkt (dazu komme ich später noch genauer)...
Die Rückblendungen der Vergangenheit verwirren an manchen Stellen zusätzlich, sind aber in vielen Bereichen essenziell für die Storyline. Amayas Eltern waren (spätestens) dann bei mir unten durch, als eine Rückblende gezeigt hatte, dass sie ihre TOCHTER VIER JAHRE verstoßen haben, wegen eines STUDIUMS. Bitte was? Natürlich hat Amaya in solch jungen Jahren sehr darunter gelitten, aber dass sie dann noch mit 30+ lügen muss, nur damit sie nicht wieder "von ihren Eltern verbannt" wird.. Ne, das kann ich tatsächlich nicht nachvollziehen. Ich stelle mir das unglaublich anstrengend und belastend vor, wenn man ständig lügen und verheimlichen muss, nur um von den Eltern einigermaßen akzeptiert zu werden. Beide Eltern, vor allem aber die Mutter, sind übergriffig. Sie verhalten sich gegenüber Amaya, einer erwachsenen Frau, mehr als besserwisserisch. 

Auch die Geschwister haben so ihre Macken. Aber im Großen und Ganzen haben sie ihr Herz auf dem richtigen Fleck. Interessant fand ich, dass die älteste Schwester (Amaya) die Grenzen der Eltern übertreten will und ihren Horizont erweitern möchte, wohingegen die jüngste Schwester (Meryem) sehr jung heiratet und am Ende sogar mit 25 Mutter wird. Auch der Bruder der beiden scheint in die Fußstapfen der Eltern treten zu wollen und man fragt sich automatisch: Tun sie das wirklich, weil sie es SELBST wollen, oder weil sie sich von den Eltern die Anerkennung wünschen...? Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack, was mich als Leserin auch mit den Augen rollen lässt, wenn Meryem jung heiratet und dann kurz darauf Beziehungsprobleme hat. Trotzdem war es interessant, dass nicht immer die älteste Tochter versucht perfekt zu sein, sondern ganz im Gegenteil, ein wenig ihr eigenes Ding macht. "Haram-Tochter", im Sinne von dem schwarzen Schaf in der Familie..

Wer den größten Respekt von mir bekommt, ist Ismael und auch Daniel. Die beiden sind nett, sympathisch und gut erzogen. Eine Sache, die mich aber extrem bei Daniel gestört hat, ist das unrealistisch lange Aushalten der ganzen Lügenfassade. Amaya möchte die Beziehung zunächst geheim halten, etwas was für einen Mann in seinen 30ern bestimmt sehr ungewöhnlich ist. Trotzdem stimmt er zu.. Sie möchte ihre körperlichen Grenzen wahren und keinen S-- vor der Ehe, auch das ist sicher ungewöhnlich, aber Daniel stimmt zu. Dafür bekommt er sicher keinen Preis, aber er scheint sich von Anfang an Mühe zu geben, sie nicht zu bedrängen und Amaya alles recht zu machen.

Doch wenn Daniel einmal seine Wünsche äußert, reagiert Amaya alles andere als offen und entgegenkommend. Er wünscht sich mehr Verbindlichkeit, wie das Zusammenziehen in eine Wohnung. Amaya möchte erst nicht, was verständlich ist, weil sie dann ihre Eltern noch mehr anlügt. Schließlich, um Daniel nicht zu verlieren, stimmt sie doch zu und BEHÄLT IHRE WOHNUNG zusätzlich.. also, dass das nicht gut gehen kann... Spätestens da war klar, dass Daniel keinen Bock mehr hat. Dass Daniel auf der Hochzeit auftaucht und dann die Szene im Krankenhaus; naja das fand ich dann schon recht seltsam und abrupt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Autorin da schnell zum Ende kommen und, da das Buch über 450 Seiten hat, nicht weiter unnötig in die Länge ziehen wollte. 

Amaya lügt und sie lügt schon sehr lange. Als erwachsene Frau sollte man es besser wissen, aber natürlich ist niemand perfekt und so toleriert man ihr Verhalten eine ganze Weile. Als sie sich dann aber im absoluten Chaos ihres Lügengeflechts wiederfindet, fällt es mir schwer Mitgefühl für sie zu haben. Ich habe das Gefühl gehabt, dass alle sehr bemüht um sie sind, und sie müsste einfach nur ihre Grenzen klar aufzeigen (auch gegenüber ihren Eltern) und dann mit den Konsequenzen leben. Denn alles ist besser als dieses ewige Verheimlichen.

Ein paar Szenen sind mir positiv im Gedächtnis geblieben. wie z.B. als Amayas Geschwister sie in ihrer ersten eigenen Wohnung besuchen. Als Amaya dann das Geld ihres Bruders entdeckt, welches eigentlich für seinen Führerschein gedacht war, fand ich das schon sehr rührend. 

Die Nebengeschichte (so nenne ich das jetzt mal), in der es um Amayas Karriere ging, war ziemlich spannend. Schade, dass sie nie einen weiteren dauerhaften Job bekommen hat, das hätte man sicher auch gut einbauen können. Zum Schluss bekommt sie aber zum Glück ihre Hauptrolle. 

Mein absoluter Favorit ist Amayas beste Freundin Klara. Ein Buch über sie würde ich gerne lesen. Sie scheint ein gutherziger Mensch zu sein, ein echtes girls girl. Immer, wenn sie vorkam, habe ich mich gefreut, weil sie mit Abstand einer der besseren Parts des Buches war. 

Fazit:
Zusammenfassend war das Buch spannend, auch wenn man es sicher deutlich hätte kürzen können.  Es handelt sich auch nicht um eine Liebesgeschichte im klassischen Sinn, die Lovestory war irgendwie nur im Hintergrund. Trotzdem hat das Buch bewirkt, dass ich mir Gedanken mache. Gedanken zu Kulturen, Religion und Grenzen. Wenn das Buch lediglich als Roman beworben worden wäre, dann hätte ich nicht mehr Liebe und Romantik erwartet. Alles in allem ein gutes Buch.