A review by muyelinh
Im Zeichen der Mohnblume - Die Schamanin by R.F. Kuang

adventurous dark tense medium-paced
  • Plot- or character-driven? Character
  • Strong character development? Yes
  • Loveable characters? It's complicated
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

4.0

Nicht erst seit der 2022 erfolgten Übersetzung in die deutsche Sprache ist "Im Zeichen der Mohnblume", die über zweitausend Seiten umfassende Tik-Tok-Sensations-Symbiose von Asienfantasy und Kriegsverbrechen, der neue "heiße Scheiß" in den Jugendbuchregalen. Die Autorin Rebecca F. (Mittelname leider unbekannt) Kuang hat sich mittlerweile einen bekannten Namen gemacht. Natürlich hatte auch ich schon zuvor einiges gehört von dieser Trilogie, besonders dass es krass brutal werden soll und mit historischen Vorbildern operiert wird.

Die Antiheldin der Reihe ist Rin, die bei ihrer Kriegsausbildung in der Hauptstadt als Provinzmädchen aus dem weit entfernten Süden von ihren Mitschülern gemobbt wird. Es handelt sich also zunächst um ein klassisches Academia-Setting mit ebenso klassischen, um nicht zu sagen, stereotypen, Charakteren. Ihr einziger Freund ist zugleich der Quotenstreber, dann gibt es natürlich noch den hochadlig-schnöseligen Bully, eine weibliche Rivalin und den geheimnisvollen Typen vom Jahrgang davor, an den keiner so richtig rankommt. Schon ein bisschen Augenrollen an der Stelle und die Frage, ob man so ein Setting nicht einfach mal frisch und unvorhersehbar entwerfen könnte, aber zumindest der Unterrichtsinhalt war ganz interessant. Viele empfanden wohl den auf diese Art abgeladenen Lore-Dump als langweilig, aber ich fand die geschichlichen Aspekte der Welt und vor allem auch die Kriegsstrategielehrstunden als Historiker natürlich sogar eher interessant. Außerdem gibt es schon erste Kämpfe, der Auftakt passte also soweit.

Der Lehrmeister ist dann allerdings auch wieder eine Karikatur eines schrulligen Konfuzius-Typen und ging mir hart auf die Eier. 

Dann nimmt das Buch eine 180°-Wendung und es bricht ein Krieg aus, der dann auch schnell die Protagonisten erreicht. Die Hauptstadt wird angegriffen und Rin muss sich gegen die einfallenden Streitkräfte des Kaiserreichs Mugen wehren. Ganz offensichtlich ist dieser Konflikt an den Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg angelehnt. Die Schlachtszene war dabei richtig gut und macht Lust auf mehr.

Bald darauf geht es für Rin bei der Cike, einer Einheit übersinnlicher Spezialkrieger weiter, die alle ein bisschen ein Rad abhaben. Die Szenen mit der Cike waren für mich das Beste an dem Buch, weil die Handlungsträger extrem vielfältig sind und eine spannende Dynamik haben. Ich hoffe, in den folgenden Bänden kommt dies noch mehr zum Tragen.

Eine langwierige Belagerung entspinnt sich, und Kuangs schonungslose Schilderungen des dreckigen Kriegsalltags passen gut in das düstere Setting und haben mich abgeholt.

Ich dachte, so würde sich der Konflikt auch über den Rest der Geschichte hinziehen. Doch stattdessen gibt es nochmal einen kompletten Twist. Verschiedene Entwicklungen führen dazu, dass Mugen zum Schluss des Bandes gar keine Rolle mehr spielt. Und entscheidend dafür ist das Magiesystem dieser Reihe.

Ich habe oft das Problem, dass ich mir bei Magiesystemen, die sich nicht auf das Wesentliche, sprich die Wirkung und den Einsatz der neuen Möglichkeiten, beschränken, oft auf Durchzug schalte und ellenlange Passagen über Ursprung und Philosophie zu diesem Punkt mir richtig egal sind. Insbesondere, wenn die Menschen zu Werkzeugen eines lange geplanten großen Showdowns zwischen Gut und Böse verschrumpfen. Das Buch geht hier einen Mittelweg, in dem der freie Willen der Menschen betont wird, sie aber letztendlich doch eher von der Magie kontrolliert werden als umgekehrt.

Rin und Altan, der geheimnisvolle Typ aus der Schule, sind jedenfalls dazu in der Lage, in den Pantheon der Götter zu gelangen und den Phönixgott zu rufen, der sie dann brennen lässt und so die Macht gibt, ganze Armeen auszumerzen. Warum beide denselben Gott benutzen können, aber niemanden sonst, dürfte mit ihrer einzigartigen Herkunft als letzte eines untergegangenen Volkes zusammenhängen, wird aber nie eindeutig ausgesprochen, wohingegen mMn unnötige philosophische Passagen über die Götterwelt wieder und wieder durchgekaut werden müssen.
Dass die beiden am Ende in der Lage sind, nicht nur Armeen, sondern ganze Reiche mit ihren Kräften zu vernichten, negiert die Bedeutung des Krieges und war in meinen Augen Schwachsinn.


Insgesamt bleibt ein positives Urteil, weil ich prinzipiell mitfiebere und der Krieg interessant dargestellt wird, auch wenn die schlimmsten historischen Vorbilder dann doch nicht ausgenutzt werden. Ein bisschen mehr Bodenständigkeit hätte aber nicht geschadet, denn durch die dem vorher abgesteckten Setting völlig entrückten Kräfteverhältnisse drohe ich schon hier die Bindung zur Protagonistin zu verlieren. Mir ist bewusst, dass Rin keine sympathische Figur sein soll, und ich finde ihre inneren Entwicklungen spannend, aber es fällt mir einfach schwer, Geschichten spannend zu finden, in denen der einzige Ausweg, um die Overpower einer Figur einzufangen, wohl zwangsläufig darin bestehen müssen wird, die kommenden Gegner ebenso übermäßig mit Wunderkräften auszustatten.