A review by sturmvoqel
Der Zauberberg by Thomas Mann

challenging reflective slow-paced
  • Plot- or character-driven? Character
  • Strong character development? It's complicated
  • Loveable characters? Yes
  • Diverse cast of characters? Yes
  • Flaws of characters a main focus? Yes

4.5

Charaktere (10/10):
- Protagonist: Hans Castorp, ein junger Mann, nicht mal besonders sympathisch, erst recht kein Held war genau der Richtige um durch diesen Roman zu führen
- unzählige weitere, toll ausgearbeitete Charaktere tauchen im Laufe der Geschichte auf, verschwinden wieder, hinterlassen einen bleibenden Eindruck...
- der Roman lebt durch die Charaktere, die Story ist da nebensächlich
- Lieblingscharakter: Mynheer Peeperkorn: Der "Kaffeekönig", Niederländer und Plantagenbesitzer ist so charismatisch und einnehmend, er redet ohne wirklich etwas zu sagen und trotzdem hängen alle, inklusive der Leser, an seinen Lippen
- die Dreiecksbeziehung zwischen ihm, Hans und Clawdia Chauchat war sehr interessant

Atmosphäre (10/10):
- die Atmosphäre ist so dicht und einnehmend
- manches Mal erscheint das Sanatorium als Gefängnis, dann wieder als Paradies...aber immer als isolierter Ort fernab der Realität und trotzdem passiert dort alles genau wie in der Welt, nur im Kleinen.
- Bewohner und Leser können sich dem Sog aus Tod und Erotik kaum entziehen.

Schreibstil (10/10):
- stilistisch ist der Zauberberg einer der eindrucksvollsten Romane, die ich je gelesen habe
- die Wortgewandtheit ist atemberaubend, es passiert so viel zwischen den Zeilen, alles wirkt wie komponiert aber nie erzwungen, sondern ganz natürlich
- der Witz ist ebenfalls nicht zu verkennen, ich habe bei manchen Ausdrucksweisen und Sätzen herzlich lachen müssen

Handlung: (8/10):
- eine Handlung gibt es in dem Sinne eigentlich nicht: der Roman begleitet Hans beim alltäglichen Leben auf dem Zauberberg, zeigt skurrile, normale, banal wirkende Szenen, unendlich lange Diskussionen, Leben und Sterben
- zuweilen verliert sich der Roman sehr in Diskussionen zwischen Settembrini und Naphta - den beiden Mentoren Hansens --> da hat mir sicherlich Vorwissen bzgl. Zeitgeschenen etc. gefehlt

Neugier/Interesse (8/10):
- ich habe mit keinerlei Erwartungen den Roman begonnen aber schnell hatte der Sog des Zauberbergs auch mich ergriffen
- manchmal fühlte es sich wie eine Telenovela an - ich wollte immer wissen wie geht es bspw. mit Hans und Clawdia weiter? Wie krank ist Joachim wirklich? Wie lange wird Hans im Sanatorium bleiben? Und so vieles mehr... 
- mir sind die Charaktere sehr ans Herz gewachsen

Logik (10/10):
- Thomas Manns Frau war im selbigen Sanatorium untergebracht, nach einem Besuch, hatte Thomas Mann die Inspiration zu diesem Roman
- dementsprechend fühlt sich alles sehr authentisch und realistisch an
- selbst Szenen die unwirklich und überzogen erscheinen, wirken im Kontext glaubwürdig
- ich habe keinerlei Logiklücken entdeckt

Unterhaltungsfaktor (8/10):
Der Zauberberg ist wahrlich kein einfacher Roman. In einem Podcast habe ich gehört, dass man mit dem Buch "in den Dialog gehen muss". Exakt dieses Gefühl hatte ich beim Lesen/Hören auch. Es gab Tage da konnte ich mich auf die schier endlosen Diskussionen der Streithähne Settembrini und Naphta nicht einlassen. An anderen Tagen konnte ich von Manns Wortkompositionen kaum genug kriegen. Manche Kapitel haben mich richtig ergriffen und mitgerissen, andere musste ich mir erarbeiten. Meine achtwöchige Reise mit dem Roman werde ich so schnell nicht vergessen, für mich hat sich das Erklimmen des Zauberbergs wahrlich gelohnt.
 
 --> 64/70 Punkte