A review by muyelinh
Die zweite Schwester by Chan Ho-Kei

challenging dark emotional mysterious sad medium-paced
  • Plot- or character-driven? Plot
  • Strong character development? No
  • Loveable characters? Yes
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? No

5.0

Als Au Nga-Yee von der Arbeit in ihre Hongkonger Wohnung zurückkehrt ist ihr ganzes Leben mit einem Mal zerstört: Ihre kleine Schwester Siu-man, das einzige ihr verbliebene Familienmitglied, hat Suizid begangen und sich vom Balkon des Hochhauses gestürzt. Schnell ist Nga-Yee sich klar, dass die Schuld für diesen Tod bei dem Verfasser einer anonymen Nachricht im Internet liegen muss, der eine beispiellose Hetzjagd in den Tiefen der Onlinewelt losgetreten hat. Mithilfe des Hackers N versucht sie, den Täter zu finden und entfesselt einen Racheplan.

"Die zweite Schwester" ist nicht nur ein Kriminalroman, wie der Titel suggeriert. Zwar beginnt die Suche mit detektivischem Ermitteln, doch wandelt sich die Geschichte immer mehr zu einem waschechten Hackerthriller. Am Ende steht ein ziemlich universelles Resultat, das Köpfe zum Rauchen bringt, aber trotzdem von einer bestechenden Logik durchzogen ist.

Die Art, wie das faszinierende und doch so enigmatische Handwerk des Hackens in die Story implementiert ist, hat mir sehr gefallen. Der Hacker ist hier nicht Protagonist, sondern Erklärbär, obwohl er das eigentlich gar nicht sein will. Überhaupt ist die Handlung zeitweise angenehm, zeitweise beängstigend realistisch. N ist eine wahnsinnig vielschichtige und beeindruckende Figur. Die Dynamik hat mir gut gefallen, man muss allerdings damit klar kommen, dass er ein sehr verschlossener Zeitgenosse ist - und gerne mal drei Schritte voraus, ohne das irgendwem mitzuteilen. Auch Nga-Yee ist gut gezeichnet und bietet ein hohes Identifikationspotenzial.

Nur sehr vereinzelt fühlte ich mich von den plötzlich auftauchenden Zusammenhängen etwas überrollt oder, wenn das IT-Business und die High Society thematisiert werden, nicht so recht abgeholt. Bis kurz vor Schluss wartet der Roman mit interessanten Twists auf, ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Das Werk ist ein großer Wurf und mein bisheriges Jahreshighlight. Ich kann jedem Leser nur raten, sich selbst auf die Jagd zu begeben und seine eigenen kombinatorischen und schließlich auch moralischen Grenzen einmal selbst auszuloten. 

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